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Gleichstellungsgesetz Niedersachsen

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Position des Gehörlosenverbands Niedersachsen e.V. zum Entwurf der Niedersächsischen Landesregierung: Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG)

Vorweg

Der Vorstand des Gehörlosenverbands Niedersachsen hat Zweifel, dass mit dem Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung eine konkrete Verbesserung für gehörlose Menschen, sowie der Gebärdensprach-Nutzer beim Inkraft-Treten einsetzen wird.

Der Gehörlosenverband Niedersachsen ist mit seinen über 3000 Mitgliedern und über 40 angeschlossenen Vereinen, Verbänden und Förderverbänden der größte Verband, der die Interessen der Gehörlosen und Hörgeschädigten in Niedersachsen auf Landesebene vertritt.

Der Entwurf

Positiv sei herauszustellen, dass die Gebärdensprache in § 5 des Entwurfes als eigenständige Sprache anerkannt sei und Menschen mit einer Hörbehinderung das Recht haben, die Deutsche Gebärdensprache zu verwenden.

Wir halten das für selbstverständlich, da alle Gehörlose, aber auch viele Hörgeschädigte auf die Gebärdensprache angewiesen sind.

In §§ 12 und 13 wird erstmals die Position des Behindertenbeauftragten gesetzlich verankert und gesichert. Auch die formulierten Aufgabenbereiche sind klar und deutlich beschrieben.

Dennoch muss aber auch die Bedeutung seiner Meinung bzw. Position innerhalb der Landesregierung gestärkt werden.

§ 1 Gesetzesziel und Geltungsbereich

Abs. 1 ist gut. Abs. 2 ist aber zu eingeschränkt, denn unter einem Landesgleichstellungsgesetz ist auch zu verstehen, dass Behinderte auch in ihrem Wohnort bzw. vor ihrer Haustür in ganz Niedersachsen barrierefrei leben können.

Warum sollen die Kommunen und Gemeinden laut dem Entwurf nicht für die Gleichstellung für behinderte Menschen verpflichtet werden?

§ 3 Behinderung

Die Definition wurde zwar aus dem Bundesgleichstellungsgesetz übernommen, aber diese ist veraltet, da sie zu sehr das Defizit der Menschen betont.

Wir sind der Auffassung, dass eine Behinderung auch in Abhängigkeit der gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten steht!

Die Begründung zum Entwurf von NBGG zu dieser Definition ist völlig inakzeptabel.

§ 4 Barrierefreiheit

Aus unserer Sicht müssen natürlich technische und bauliche Einrichtungen barrierefrei sein.

Wir möchten aber auch, dass Barrierefreiheit die verschiedenen Formen der Behinderung berücksichtigt und dieses in allen öffentlichen Bereichen umgesetzt wird.

Speziell für die Gruppe der Gehörlosen und Hörgeschädigten muss der Bereich Medien bzw. Fernsehen hervorgehoben werden, der im Entwurf des NBGG in keiner Weise erwähnt wird.

Die Frage ist, ob Gehörlose nicht die gleiche Chance haben sollten, genauso wie Hörende am Informations- und Unterhaltungsleben teilzuhaben? Darunter ist vor allem der Einsatz von Untertitelungen und Einblendung von Gebärdensprachdolmetschern zu verstehen.

Das Land Niedersachsen hat keinen unerheblichen Einfluss auf die Gestaltung des NDR-Fernsehen.

§ 6 Benachteiligungsverbot

Siehe auch Kommentar zu § 1

§ 7 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

Siehe auch Kommentar zu § 1

Es stellt sich hier die Frage, ob nun ein echter Wille zur Beseitigung von Benachteiligung gegeben ist, wenn alles unter einem Finanzierungs-vorbehalt steht.

§ 8 Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen

Gerade der Gehörlosenverband Niedersachsen als Vertreter von Gehörlosen und der Gebärdensprachgemeinschaft legt einen großen Wert auf eine möglichst weitgehende Anerkennung der Gebärdensprache, der Verwendung und dem Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern.

Die Formulierung „Satz 1 findet keine Anwendung bei Prüfungen und Leistungsfeststellungen an Hochschulen.“ ist völlig empörend. In der Begründung heißt es, dass die Hochschulen dazu auch nicht in der Lage sähen, die Verpflichtung zu erfüllen.

Wie kann man sich denn das sonst vorstellen, wenn ein gehörloser Student ohne Gebärdensprache und ohne Gebärdensprachdolmetscher sich mit dem Prüfer verständigen soll, wenn es in der lautsprachlichen Kommunikation Schwierigkeiten gibt?

Weshalb sehen sich die Hochschulen im Prüfungsbereich nicht in der Lage, das Recht auf die Kommunikation in Gebärdensprache umzusetzen?

Wo ist hier von Gleichstellung die Rede?

In Nordrhein-Westfalen oder in Hamburg beispielsweise können immer wieder gehörlose Studenten die Prüfungen mit Gebärdensprach-dolmetschern an den entsprechenden Hochschulen ablegen.

§ 10 Barrierefreie Informationstechnik

Siehe auch Kommentar zu §§ 1 und 7.

§ 11 Vertretungsbefugnisse

Warum wurde das so wichtige Verbandsklagerecht nicht in den Gesetzentwurf eingebaut?

Nicht erwähnte Bereiche

Mehrfach schon hatte der Gehörlosenverband Niedersachsen darauf hingewiesen, dass im schulischen Bereich die Gebärdensprache ihre konsequente Berücksichtigung finden solle. Dass die Angelegenheit Schule nicht im Landesgleichstellungsgesetz zu finden ist, ist sehr bedauerlich.

Wo sonst soll im Übrigen die Gleichstellung von Behinderten im Sinne von Integration in Regelschulen stattfinden?

Die Arbeit des Landesbehindertenbeirat wird ebenso nicht im Entwurf des NBGG berücksichtigt wie eine verbindliche Regelung auf kommunaler Ebene für die Interessen der Menschen mit einer Behinderung!

Warum das?

Gerade auf Landes- und Kommunalebene ist es wichtig, dass ein weiteres Organ gesetzlich verankert und existieren soll, das die Belange der Behinderten in die politische Arbeit hinein trägt.

Gehörlose Eltern mit einem hörenden Kind werden aufgrund der Gehörlosigkeit benachteiligt, weil es in Niedersachsen keine verbindliche Regelung existiert, sich zum Beispiel auch an „Elternsprechtagen“ in Schulen mit Hilfe eines Gebärdensprachdolmetschers zu beteiligen.

In Bayern wurden hierfür bereits Verordnungen auf Landesebene geschaffen.

Oder gilt der Satz in der niedersächsischen Verfassung nicht mehr, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe?

Resümee:

Der Gesetzesentwurf ist sehr enttäuschend und im Prinzip nicht ehrlich gemeint.

Zum einen, da der Entwurf so spät an die Öffentlichkeit kommt und Niedersachsen zum Schlusslicht der Behindertenpolitik in Deutschland macht.

Zum anderen, weil die schon seit Jahren gestellten Forderungen und Wünsche des Landesbehindertenbeirat, der Behindertenverbände und des Gehörlosenverbandes Niedersachsen nicht im Entwurf miteingebracht worden sind.

Insbesondere ist es kritisch anzumerken, dass für die Beratungen mit den Landesministerien nicht einmal ein Austausch auf Augenhöhe stattgefunden hat.

Es ist davon auszugehen, dass der Entwurf des NBGG in eine verbindliche Gesetzesregelung umgewandelt wird, ohne nachträglich verbessert zu werden.

Auch nach dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes werde es nicht zu einer deutlichen und vor allem spürbaren Verbesserung für die Situation der behinderten Menschen in Niedersachsen kommen.

1988 und 1998 wurden im Europäischen Parlament Resolutionen verabschiedet, die die Mitgliedsländer zu konkreten Maßnahmen für gehörlose Menschen und ihrer Gebärdensprache auffordert. Aufgrund des föderalen Systems in Deutschland hat der Entwurf des NBGG entsprechende Punkte völlig außer Acht gelassen.

Der Gehörlosenverband Niedersachsen hält es für notwendig, endlich persönliche Gespräche mit den zuständigen Politikern zu führen.

Harsum, 26.02.2007




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