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Gleichstellungsgesetz Niedersachsen

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Stellungnahme des DGB – Bezirks Niedersachsen – Bremen - Sachsen-Anhalt zum Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und zur Änderung anderer Gesetze. (Kopie 1)

Der DGB begrüßt, dass Niedersachsen nunmehr als 16. Bundesland auf dem Weg zu einem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen ist.

Bewertung

Positiv bewerten wir, dass sich der Entwurf zum Niedersächsischen Gleichstellungsgesetz beim Gesetzesziel (§ 1), beim Begriff der Behinderung (§ 3) und der Definition von Barrierefreiheit (§ 4) an den Zielen des Bundesgleichstellungsgesetzes orientiert. Des Weiteren ist positiv festzuhalten, dass der Gesetzentwurf den Gedanken des Gender Mainstreaming aufgreift. Als weiterer positiver Punkt ist zu benennen, dass bei der geplanten Änderung des Jugendförderungsgesetzes ein neuer Absatz eingefügt wird, der festlegt, dass die Jugendarbeit die spezifischen Lebenslagen von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen bei der Ausgestaltung ihrer Angebote und Maßnahmen mit dem Ziel der Gleichstellung von behinderten und nichtbehinderten jungen Menschen zu berücksichtigen hat.

Besonders zu kritisieren ist aus Sicht des DGB das Fehlen eines eindeutigen Auftrags zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Benachteiligungen von Frauen mit Behinderungen.

Der Entwurf entspricht insgesamt nicht den Erwartungen, die die Menschen mit Behinderungen in Niedersachsen hegen. Dies gilt auch unter dem Aspekt, dass aufgrund der langen Vorbereitungszeit allgemein mit einem die Rechte behinderter Menschen besonders hervorhebenden Gesetzentwurf gerechnet wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Erinnert sei hier an ein Eckpunktepapier des Landesbehindertenrates aus dem Jahr 2003 zum Gleichstellungsgesetz, dem sich der DGB inhaltlich anschließt. In diesem Papier wurde damals als unverzichtbar gefordert:

  1. Eine klare Aussage, dass die Integration in allen gesellschaftlichen Bereichen Vorrang haben muss vor der Betreuung, Förderung oder dem Verbleib in Sondereinrichtungen.

  2. Die Barrierefreiheit, durch die erst Selbstbestimmung und Teilhabe möglich werden. Erst durch Barrierefreiheit in allen Bereichen ist die Erreichbarkeit gewährleistet, ohne die es keine Teilhabe geben kann.

  3. In einem Niedersächsischen Gleichstellungsgesetz ist der Barrierefreiheit eindeutig Vorrang vor den Denkmalschutzinteressen einzuräumen.

  4. Ein Niedersächsisches Gleichstellungsgesetz muss die Arbeit von Behindertenbeiräten und Behindertenbeauftragten in Kommunen, Landkreisen und dem Land als Element der Teilhabe aktiv fördern.

Diese Punkte haben für den DGB auch heute noch Gültigkeit und wir müssen leider feststellen, dass keiner dieser Punkte auch nur annähernd zur Zufriedenheit der Menschen mit Behinderungen geregelt wird.

Der DGB unterstreicht mit dieser Stellungnahme ausdrücklich die im Papier des Bündnisses für ein Niedersächsisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung beschriebenen Positionen.

Dies soll an einigen Punkten, die nach unserer Einschätzung auch die Schwerpunkte der bevorstehenden Auseinandersetzung um den vorgelegten Gesetzentwurf sein werden, verdeutlicht werden:

  1. Zunächst ist festzustellen, dass ein Gleichstellungsgesetz, das bewusst darauf verzichtet, die Kommunen in die Verantwortung zu nehmen (§ 1 Abs. 2), wenig effizient sein kann. Nach den Regelungen des Behindertengleichstellungsgesetzes sind alle Landesverwaltungen, einschließlich der der landesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts verpflichtet, die Ziele des BGG umzusetzen, soweit sie Bundesrecht ausführen. Es verbleibt also nur ein ganz kleiner Teil von Behörden, für die das geplante Gesetz in der als Entwurf vorgelegten Form unmittelbare zusätzliche Auswirkung hat.

  2. Wenn denn schon ein Gesetz verabschiedet werden soll, das die Gleichstellung behinderter Menschen in Niedersachsen regelt, aber die kommunale Ebene, also den Ort, wo Menschen mit Behinderung leben und ihren Erfahrungsschwerpunkt haben, ausnimmt, dann hätte nach unserer Einschätzung alternativ die Möglichkeit der Zielvereinbarung als verbindliches Instrument eingeführt werden müssen. Damit würde dann den Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit gegeben, verbindlich mit ihren Gemeinden vor Ort Zielvereinbarungen über die Umsetzung der Teilhabemöglichkeiten behinderter Menschen schließen zu können.

  3. In einigen Punkten bleibt der Gesetzentwurf sogar weit hinter den Bestimmungen des Behindertengleichstellungsgesetzes zurück. So ist bei der Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr (§ 7) geregelt, dass Ausnahmen hinsichtlich der großen Um- und Erweiterungsbauten zulässig sind, wenn die Anforderungen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können. Diese Bestimmung findet sich nicht im BGG und widerspricht auch den Interessen der Menschen mit Behinderung, die in Niedersachsen leben. Im zweiten Absatz des § 7 findet sich eine weitere Einschränkung, da die baulichen und andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel im öffentlichen Personenverkehr nur dann barrierefrei zu gestalten sind, wenn sie öffentlich sind. Hier wird ein alter Zielkonflikt aus der Niedersächsischen Bauordnung erneut deutlich. Es reicht eben nicht, nur öffentlich zugängliche Gebäude barrierefrei zu gestalten, sondern dies ist für alle Gebäude die im Besitz des Landes sind oder von ihm angemietet werden, zu fordern. Nur dadurch ist sichergestellt, dass dort ohne Probleme behinderte Menschen beschäftigt werden können.

  4. Auf vollkommenes Unverständnis wird Satz 3 des § 8 (Recht auf Verwendung von Gebärdensprachen und anderen Kommunikationshilfen) stoßen. Dort wird festgelegt, dass das Recht mit deutscher Gebärdensprache, Lautsprachbegleitenden Gebärden oder anderen geeigneten Kommunikationshilfen zu kommunizieren, keine Anwendung bei Prüfungen und Leistungsfeststellungen an Hochschulen findet. Dies schließt den Personenkreis, der von dieser Regelung betroffen ist, zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Hochschulstudium aus, da das Ablegen einer Prüfung nicht möglich sein wird.

  5. In § 9 (Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken) ist die Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken nur als Sollvorschrift ausgestaltet. Dies ist schon bedenklich, aber problematisch ist die Bestimmung in Abs. 2, dass es in das eigene Ermessen der Dienststellen des Landes gestellt ist, was geeignete und wahrnehmbare Formen der Zugänglichmachung sind. Dies sollten, der Idee folgend, das Menschen mit Behinderung die besten Experten in eigener Sache sind, am Besten die Betroffenen Menschen selbst entscheiden.

  6. Der § 10 (Barrierefreie Informationstechnik) legt im Grunde fest, dass die Betreiber von Internetauftritten diese nicht barrierefrei gestalten müssen, wenn sie nur ihre alten Auftritte beibehalten. Das heißt, die Fortentwicklung bestehender Internetauftritte fällt nicht unter die Bestimmungen des § 10. Insbesondere ist es aber unakzeptabel, dass die Barrierefreiheit von Internetauftritten usw. nicht auf der Grundlage der Verordnung zur barrierefreien Informationstechnik (BITV) stattfinde soll. Es ist für behinderte Menschen schwer erträglich und nicht nachvollziehbar, dass die Barrierefreiheit in Niedersachsen anders aussehen kann, als in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene.

  7. Vermisst wird von uns im Entwurf die Möglichkeit der Verbandsklage. Das bedeutet, dass der benachteiligte Mensch mit Behinderung gezwungen ist, selbst tätig zu werden und gegen die Benachteiligung Rechtsschritte ein zu leiten. Da Menschen mit Behinderung aufgrund ihrer persönlichen Situation oft nicht die Kraft besitzen, sich gegen Benachteiligung zu wehren, stellt dies aus Sicht des DGB einen gravierenden Mangel am vorliegenden Gesetzentwurf dar.

    Der § 13 des Bundesgesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen sieht dagegen ein Verbandsklagerecht vor. Dieses Recht ist von Menschen mit Behinderungen immer als wesentlicher Bestandteil von Behindertengleichstellungsgesetzen angesehen worden.

  8. Für behinderte Menschen unakzeptabel wird das Gesetz auch dadurch, dass die Arbeit der kommunalen Behindertenbeiräte, die seit vielen Jahren in vielen Gemeinden erfolgreich tätig sind, keine Würdigung gefunden hat. Auch der Verzicht auf kommunale Behindertenbeauftragte ist an dieser Stelle kontraproduktiv.

  9. In den dem Artikel 1 folgenden Artikeln, fehlen ebenfalls einige Regelungsinhalte. Hier benennen wir insbesondere

    • die Verpflichtung zur Bereitstellung barrierefreier Wahllokale (kommunaler Ebene),

    • die Verpflichtung die Standorte der barrierefreien Wahllokale rechtzeitig bekannt zu geben (kommunale und Landesebene),

    • die Möglichkeit mittels sog. Wahlschablonen zu wählen (kommunale und Landesebene).
  10. Der in Artikel 6 (Änderung des Niedersächsischen Straßengesetzes) eingefügte Finanzierungsvorbehalt kann keine Zustimmung der behinderten Menschen finden und wird auch von uns abgelehnt.

Schlussbemerkung

Wir bitten eindringlich, die weitgehend deckungsgleichen

  • Eckpunkte des Landesbehindertenrates,

  • die im Papier des Bündnis für ein Niedersächsisches Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung beschriebenen Positionen sowie

  • die in dieser Stellungnahme aufgeführten Kritikpunkte

in die Überarbeitung des Gesetzesentwurfes einzubeziehen.




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