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Gleichstellungsgesetz Niedersachsen

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Stellungnahmen des NLK zum zweiten Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und zur Änderung anderer Gesetze

Zunächst danke ich Ihnen sehr herzlich für die Einladung und die Gelegenheit, zu Ihrem Gesetzesentwurf Stellung nehmen zu können.

Nachdem nun die meisten Bundesländer ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet haben, wartet der NLK-Niedersächsische Landesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V. voller Ungeduld auf ein Gleichstellungsgesetz für Niedersachsen und ist deshalb sehr froh über den neuen Versuch, ein solches Gesetz für Niedersachsen zu schaffen.

Dabei haben wir besonders positiv feststellen können, dass der 1. Entwurf nach zahlreichen Stellungnahmen aus dem Bereich der betroffenen Menschen in wichtigen Teilen verändert und somit verbessert wurde. Trotzdem gibt es einige Punkte, die wir immer noch für verbesserungsbedürftig halten.

So begrüßen wir sehr, dass der Wirkungsbereich dieses Gesetzes auf die der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen öffentlichen Rechtes ausgeweitet wurde.

Zu § 2, Abs. 1, Nr. 1 und 2 (Begriffsbestimmungen)

Es ist uns allerdings unverständlich, warum Gerichte und Sparkassen ausgenommen werden sollen. Auch in diesen Bereichen bedarf es einer Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, wenn sie z. B. im Bereich der Ausübung eines Schöffenamtes auf z. B. räumliche Hindernisse stoßen, weil es überwiegend nur Sitzungs- und Verhandlungsräume mit baulichen Hindernissen gibt.

Nicht zuletzt ist daran zu denken, dass auch im Bereich des Gerichts behinderte Menschen ihren Beruf ausüben können und deshalb natürlich auch für sie in diesem Bereich die Gleichstellung gelten muß.

Hier sollte bei den Ausnahmen der Zuständigkeit dieses Gesetzes deshalb die Punkte 1 und 2 herausgenommen werden.

Zu § 5 Abs. 2 (Benachteiligungsverbot)

Bei dem Benachteiligungsverbot durch öffentliche Stellen schränken Sie dieses mit dem unbestimmten Rechtsbegriff „nicht ohne hinreichenden Grund unterschiedlich behandeln“ ein, ohne das erkennbar ist, was unter hinreichende Gründe verstanden wird und wer dafür beweispflichtig ist.

Zu § 6 Abs. 1 (Herrstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr)

Es ist schön, dass Sie in diesen überarbeiteten Entwurf das Thema barrierefreier Bau und Verkehr aufgenommen haben. Bei der Zulassung von Ausnahmen in Abs. 1 letzter Satz halten wir es allerdings für zwingend notwendig, das festgelegt wird, das seitens des Bauherren unverhältnismäßiger Mehraufwand bewiesen werden muß und nicht seitens der Betroffenen die Machbarkeit für oder gegen barrierefreies Bauen.

Die in Ihrer Erläuterung festgelegte Erklärung des Begriffes „groß“ für Um- oder Erweiterungsbaumaßnahmen in Form von Maßnahmekosten von über 1 Mio. Euro halten wir für nicht angemessen bzw. zu hoch. Gerade im Um- und Erweiterungsbau gibt es immer wieder Projekte mit Maßnahmekosten unter 1 Mio Euro, die aber geeignet sind, trotzdem die barrierefreie Gestaltung einzufordern, weil dieses eben nicht eine unverhältnismäßige Belastung wäre.

Wir haben schon Investoren erlebt, die in solchen Fällen barrierefreie Gestaltung verweigert haben, obwohl dieses 1. technisch möglich und 2. auch ohne wesentlich höherem Aufwand realisierbar war. Begründet wurde es lediglich damit, dass das Gesetz den Bauherrn dazu nicht verpflichte.

Bedenkt man, dass in Zukunft ohnehin weniger Neubau entsteht, sondern der Schwerpunkt in Sanierungs- und Umbaumaßnahmen liegt, bekommt diese Festlegung eine besondere Wichtigkeit.

Die in Abs. 2 festgelegte Einschränkung für barrierefreies Bauen von sonstigen öffentlichen Anlagen, öffentlichen Wegen, Plätzen und Straßen, öffentlich zugänglichen Verkehrsanlagen und Verkehrsmitteln im öffentlichen Personenverkehr, soweit dies durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist, halten wir für ungerechtfertigt.

Vorgegebene Rechtsvorschriften müssen ohnehin erfüllt werden und bedürfen deshalb nicht einer Betonung, wie sie in diesem Gesetzentwurf erfolgt. Vielmehr halten wir es für erforderlich, das grundsätzlich die genannten Bereiche barrierefrei zu gestalten sind. Allenfalls könnte man wie im Bundesgleichstellungsgesetz für einige Bereiche festlegen, in welchem Zeitraum die Barrierefreiheit hergestellt sein soll. Dieses könnte z. B. für den Zeitraum der Umsetzung eines barrierefreien Nahverkehrs gellten.

Zu § 8 ( Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken)

Bei der Gestaltung von Bescheiden, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken reicht der allgemeine Hinweis auf die Berücksichtigung von Menschen mit Behinderungen nicht aus. Vielmehr ist neben dem besonderen Hinweis zugunsten von blinden und sehbehinderten Menschen auch auf die Erfordernisse von lern- bzw. geistig behinderter Menschen hinzuweisen. Im Gesetz fehlt die Einführung verständlicher Sprache als Voraussetzung einer Gleichstellung von Menschen mit lern- und geistiger Behinderung. Nicht zuletzt würden davon auch z. B. ältere Menschen profitieren, die sich in den Verwirrungen von Bescheiden und sonstigen Texten nicht zu Recht finden.

Selbst in den Erläuterungen bei inhaltlichen Schwerpunkten und zu § 8 fehlt in der Aufzählung der lern- und geistig behinderte Mensch mit seinen behinderungsspezifischen Erfordernissen. Die verständliche Sprache ist nur ein Aspekt der Gleichstellung für diesen Personenkreis.

Zu § 9 (Informationstechnik)

In diesem Paragraphen wird ausführlich die barrierefreie Gestaltung der Informationstechnik per Internet festgelegt. Es fehlt unserer Auffassung nach die barrierefreie Gestaltung anderer Medien wie Rundfunk und Fernsehen. In diesem Zusammenhang sollte mindestens festgelegt werden, dass dort, wo das Land oder die von ihm beaufsichtigten Gebietskörperschaften an Entscheidungsprozessen bei Rundfunk und Fernsehen beteiligt sind, auf eine barrierefreie Gestaltung dieser Medien hinzuwirken haben. Außerdem sollte festgelegt werden, dass ein Vertretungsrecht im Rundfunkrat durch behinderte Menschen eingerichtet wird in Form eines Mitglieds im Rundfunkrat, der ein behinderter Mensch ist.

Zu § 10, Nr. 2 (Landesbeauftragte)

In diesem Absatz wird der oder die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung dem Ministerium für Soziales zugeordnet und ihm bzw. ihr sind zur Aufgabenerfüllung notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.

Angesichts der Tatsache, dass neben den sozialen Angelegenheiten fast alle Fachbereiche des Landes auch davon betroffen sind, alle Maßnahmen der Gleichstellung zu beachten, halten wir es für besser, den bzw. die Behindertenbeauftragte der Staatskanzlei zuzuordnen. Dieses hätte den vorteil, dass nicht eine Fachdisziplin den Vorrang vor den anderen bekommt. Außerdem würde dieses der alle Bereiche betreffenden übergeordneten Zuständigkeit als Querschnittsaufgabe entsprechen.

Wir halten es außerdem für besonders wichtig, dass die Stellung eines/einer Behindertenbeauftragen der eines/einer Datenschutzbeauftragten gleichgestellt ist.

Zu § 11, Nr. 2 (Aufgaben der/des Landesbeauftragten)

Die Beteiligung des bzw. der Behindertenbeauftragten soll erfolgen, soweit sie die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung betreffen. Unbeantwortet bleibt die Frage, wer entscheidet, ob die Frage der Gleichstellung berührt ist oder nicht? Wir sind deshalb der Auffassung, dass grundsätzlich eine Beteiligung erfolgen sollte und allenfalls seitens des bzw. der Behindertenbeauftragten entschieden werden kann, dass die Frage einer Gleichstellung nicht berührt ist.

Zu § 12, Nr. 2, letzter Absatz (Beiräte ehrenamtlich)

Die weiteren Mitglieder, also Beiratsmitglieder, sollen ihre Aufgabe ehrenamtlich wahrnehmen und nur Reisekosten erstattet bekommen. Wir sind der Auffassung, dass für die ehrenamtliche Arbeit auch eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden sollte, wie sie auch bei anderen politischen Ehrenämtern üblich ist.

Zu § 12, Nr. 4 (Beiräte in Städten u. Gemeinden)

Für die Landkreise und kreisfreien Städte sollen jeweils ein Beirat oder ein vergleichbares Gremium eingerichtet werden. Wir sind der Auffassung, dass auch in den genannten Gebietskörperschaften ein oder eine Behindertenbeauftragte und ein Beirat eingerichtet werden. Es ist allerdings unmöglich, dass seitens der jeweiligen Gebietskörperschaft festgelegt wird, z. B. wie häufig ein solcher Beirat tagen darf. Dieses kann und muß abhängig von der anfallenden Arbeitsmenge abhängig sein. Außerdem ist es eine unserer Auffassung nach unzulässige Bevormundung dieses Gremiums.

Außerdem sind wir der Meinung, das die Beiratsmitglieder gewählt werden sollten und hierfür ein Wahlverfahren entwickelt werden sollte.

Die Aufgabenstellungen und Zuordnung von Beirat und Beauftragtem sollen analog der Regelung des bzw. der Landesbeauftragten erfolgen.

Zu § 13 (Verbandsklage)

Wir begrüßen ausdrücklich die Aufnahme des Verbandsklagerechts in dieses Gesetz. Die bisherigen Erfahrungen hierzu haben allerdings schon jetzt erkennbar gemacht, dass für ein solches Verfahren die finanziellen Voraussetzungen im Interesse der klagenden Verbände verbessert werden muß. Wir halten es für notwendig, so etwas wie eine Prozeßkostenhilfe für Verbandsklagen einzuführen, damit die Durchsetzung seines Rechts nicht von der eigenen Finanzkraft abhängig ist.

Zu § 14 (Überprüfung des Gesetzes)

Wir glauben, dass eine einmalige Überprüfung der Auswirkungen dieses Gesetzes erst nach 3 Jahren nicht ausreichend ist. Vielmehr sind wir der Meinung, dass eine jährliche Berichtspflicht zur Umsetzung des Gesetzes durch die Landesregierung und analog der Leitung der Gebietskörperschaften festgeschrieben wird.

Dieses ermöglicht, auftauchende Probleme rechtzeitig zu erkennen und anzugehen.

Noch fehlende wichtige Punkte für dieses Gesetz

  1. In das Gesetz sollte auch die Möglichkeit von Zielvereinbarungen aufgenommen werden und die Verfahrensregelung sollte der des BGG entsprechen.

  2. Wir halten es auch für erforderlich, das in diesem Gesetz eine Rechtsfolge festgelegt wird, wenn die Mitwirkung bzw. Mitbestimmung nicht erfolgt ist. Es wäre z. B. möglich fest zu legen, das entsprechende Entscheidungen zu Initiativen des Landes bzw. der anderen Gebietskörperschaften solange ausgesetzt werden, bis die erforderliche Beteiligung nachgeholt wurde.

  3. Ein wichtiges Thema ist in diesem Gesetz nicht angesprochen, obwohl es zu den originärsten Aufgaben des Landes zählt. Es ist das Thema Bildung. Hier halten wir es für notwendig, dass dieses Gesetz eine besondere Aussage zur integrativen Beschulung im vorschulischen, schulischen, hochschulischen, beruflichen und Erwachsenenbildungsbereich macht.

  4. Wenn das Ziel einer integrativen Bildung durchgeführt werden soll, dann ist es allerdings auch unumgänglich, dass diejenigen, die diese Bildung vermitteln, ihrerseits auch eine Studiumspflicht haben zum Thema behinderte Menschen im Bildungsgeschehen. Es kann nicht angehen, dass Lehrer/innen über Behindertenpädagogik nicht ausgebildet werden, aber erkennen sollen, wenn unter ihren Schüler/innen von Behinderung Betroffene sind, bzw. sogar diese unterrichten sollen. Genauso wenig kann es sein, dass Architekten rechtlich verpflichtet sind, unter bestimmten Bedingungen barrierefrei bauen und planen zu müssen, aber sich entscheiden können, in ihrem Studium nichts über barrierefreies Bauen zu lernen.

Wir haben nun die wichtigsten Punkte genannt, die auch bei dem verbesserten Gesetzentwurf nach unserer Meinung noch berücksichtigt werden sollten.

Das Land Niedersachsen und die Menschen, die hier leben, brauchen dringend ein Gleichstellungsgesetz, das sich auf ihren unmittelbaren Lebensraum auswirkt, um Menschen mit Behinderungen die Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

K. Dickneite
Vorsitzender
NLK-Niedersächsischer Landesverband
für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V.




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